Viktoriya über Franzi:
Seitdem es gewiss war, dass und wann Snizhana, ihre Schwester, ihre Töchter und der Kater kommen werden, habe ich eine weitere Unterkunft gesucht, in der die Frauen so lange bleiben können, wie es notwendig sein wird. Es war auch für mich wichtig, dass beide Schwestern und ihre Töchter sich in wenigen Minuten zu Fuß besuchen können. Ich habe auf Instagram einen Aufruf in meinen Stories gestartet, wonach ich genau gesucht habe. Anna vom “Vetter Adler” hat meinen Aufruf in ihren Stories repostet und daraufhin hat sich Franzi bei mir gemeldet. Snizhana, ihre Tochter und der Kater haben bei ihr ein gemütliches Zimmer in einem schönen Altbau gefunden und konnten so lange bleiben, bis sie sich entschieden haben Mitte August wieder zurück nach Kyiv zu kehren. 
Franzi und ihre Geschichte von Nächstenliebe:
Ich habe mir Gedanken gemacht über die Art und Weise, wie ich helfen kann. Ich sehe meine Stärken in meiner Empathie, in meinem Gespür für Menschen und in meiner sozialen Ader. Ich habe zwar auch gespendet, aber das hat mir nicht das Gefühl gegeben: „Okay, ich habe etwas bewirkt.“ Das Spenden war nicht die Art und Weise, wie ich helfen wollte. Ich wusste, dass ich den Menschen wirklich aktiv helfen wollte.
Wer bin ich ...
Ich bin Franziska, ich bin  29 Jahre alt, passionierte Biologie- und Chemielehrerin, komme ursprünglich aus Rheinland-Pfalz und wohne nun hier in schönem Konstanz. Ich bin eine sehr offene Person, ein social butterfly: Jemand, der gerne Leute um sich herum hat, manchmal aber auch das Alleinsein ganz bewusst genießt. Mir ist es wichtig, etwas mit meinen Freunden zu unternehmen. Mich interessiert es sehr, wie Leute so sind, deshalb bin ich offen für Neues. Ich bin offen und empathisch.
Was ist für mich Nächstenliebe/ Kindness …
Nächstenliebe … Da kommt mir tatsächlich dieses Sprichwort in den Sinn: „Behandle deinen Nächsten wie dich selbst.” Also das, was mir entgegen gebracht werden soll, bringe ich meinem Nächsten entgegen. Für mich persönlich gilt, dass ich den Menschen mehr gebe, als ich für mich selbst erwarte. Ich gebe gerne bedingungslos. Ich brauche hier kein Aufwiegen.
Als ich erfahren hab, dass der Krieg in der Ukraine ausgebrochen ist ...
Ich habe ein ganz mulmiges Gefühl bekommen. Es fühlte sich wie eine schwere Last an, aber auch ungreifbar, es war wie ein Schockzustand. Für mich war es ein absolut unfaires Szenario. Die Vorstellung, dass die Menschen bekriegt werden und so viel Leid erfahren müssen, ist einfach schlimm und krass. Ich konnte es am Anfang gar nicht beschreiben. Es hat mich dann auch begleitet und ich wusste auch nicht, wie ich damit umgehen soll. Dann habe ich mich schuldig gefühlt, weil es mich nicht direkt betroffen hat. Ich habe zum Glück keine Verwandten dort. Dabei hatte ich das Gefühl, dass ich diese Menschen gerne beschützen würde, die so ein Leid erfahren. Ich habe versucht, darüber mit Leuten zu sprechen. Viele waren auch sehr betroffen und wussten selbst nicht, was damit anzufangen ist. Nach diesem Schock war meine Reaktion: „Ich will was tun, ich will helfen. Ich muss irgendwas machen.“
Der Krieg in der Ukraine bedeutet für mich ...
Es gibt Menschen auf dieser Welt, die ihre Macht ausspielen wollen, die sich etwas in ihren Kopf gesetzt haben, weil sie in der richtigen Position sind, das ausspielen zu können. Ich bin nicht bereit eine Position zu beziehen, aber das waren die ersten Gedanken, die mir durch den Kopf gingen. Der Krieg bedeutet für mich Zusammenhalt: Wir sehen jetzt wieder, wie Menschen in Krisensituationen zusammenarbeiten können, unabhängig von ihren Positionen und anderen Unterschieden. Auch dass wir Menschen im Grunde genommen zwar individuell und verschieden sind, wenn wir aber am gleichen Strang ziehen, dann haben wir doch die gleichen Werte und alles andere ist erstmal egal.
Dieser Krieg hat meine Wahrnehmung/ mein Bewusstsein verändert ... 
Der Krieg hat meine Einstellung zu Geflüchteten verändert. Als Snizhana mit ihrer Tochter ankam, war das für mich einfach eine Mutter mit ihrer Tochter.
Ich habe vorher nichts über die Ukraine gewusst, ich wusste nicht, wer da bei mir ankommen wird und ob wir kulturell sehr unterschiedlich sind. Das war so nicht. Ich habe beide sehr lieb gewonnen, auch wenn wir uns nicht auf einer Sprache unterhalten konnten, haben wir das gar nicht gebraucht. Wir haben uns einfach so verstanden. 

Ich habe meine eigenen Normen und Werte hinterfragt: Was bedeutet das für mich, dass ich in Europa lebe, dass ich in Deutschland lebe? Es hat mich dazu gebracht, über das Sicherheitsgefühl nachzudenken. Egal, was passiert, ich habe ein tolles Umfeld und kann in Sicherheit hier leben.
Ich möchte den Menschen zum Weihnachten wünschen ...
Weihnachten für mich ist ein schwieriger Punkt. Ich wünsche mir, dass ich mehr auf mich höre und mir selbst mehr Liebe entgegenbringe. Ich wünsche den Menschen, dass sie mehr auf andere schauen, Verständnis zeigen und nicht gleich direkt und ohne nachzufragen etwas interpretieren, sondern mehr versuchen, sich vorzustellen, dass es andere Möglichkeiten gibt, die Dinge zu sehen. Ich wünsche Menschen die Fähigkeit, eigene Gefühle zu kommunizieren und zuzuhören.
Der Menschheit wünsche ich Frieden. Den inneren Frieden.