Photo: Pfefferproduktionen/Torben Nuding
Viktoriya über Christine:
Christine für mich ist ein besonderer Mensch, denn sie hat aus dem Nichts und in kürzester Zeit das Projekt "Kunst hilft helfen" aus dem Boden gestampft. Dadurch ist eine beträchtliche Spendensumme für geflüchtete Kinder zusammengekommen. Christine hat mir die Möglichkeit gegeben, meine Gefühle und meine Sichtweise über den Krieg in der Ukraine zum Ausdruck zu bringen, denn ich durfte bei der Kunstauktion eine kurze Rede halten.
Christine hat mir Luise und ihre Kunstschule vermittelt. Durch Christine konnte Snizhana an der Kunstschule Konstanz zwei Monate lang Aquarelltechniken unterrichten.
Christine und Ihre Geschichte von Nächstenliebe:
Mir war klar, dass ich irgendwie helfen muss. Auch weil schnell deutlich wurde, dass ich in meiner Arbeit, meinem literarischen Projekt gelähmt war, meine Gedanken gekreist sind. Dann dachte ich: „Naja gut, wenn ich mit meinen Gedanken sowieso dort bin, kann ich irgendwas machen, was hilfreich ist. Einfach nur rumsitzen und doom scrolling machen, kam für mich nicht in Frage. 
Auch um aus dieser eigenen Hilflosigkeit herauszukommen.
Wer bin ich ...
Ich bin Schriftstellerin, Autorin und Künstlerin, weil ich schon immer sehr neugierig auf Menschen war, vor allem auf besondere Menschen. Der Durchschnitt, oder das, was in den Medien als Ideal gezeigt wird, hat mich nie besonders interessiert. Mich haben immer die komplexeren, die gebrocheneren Menschen und deren Geschichten interessiert. Da habe ich schon als Kind immer viel gesammelt, kleine Zitate, kleine Begebenheiten. Daraus mache ich jetzt professionell Geschichten. In meiner Arbeit greife ich gerne auf wahre Begegnungen zurück, auch wenn ich fiktionale Geschichten schreibe. Dabei setze ich Szenen und Personen oft zusammen aus tatsächlich Erlebtem und Gehörtem und versuche daraus dann Neues zu gestalten. 

Was ist für mich Nächstenliebe/ Kindness …
In erster Linie ist Kindness für mich: hinzusehen. Damit fängt es an. Sehe ich, wie es meinem Nächsten geht und was passiert? Bin ich aufmerksam für die Welt und räsoniert das, was ich sehe in mir? Erinnert es mich an was, das ich selbst erlebt habe? Berührt es mich, dann aktiviert es mich, tätig zu werden. Was zu tun, das hilft, Verbindung herzustellen und zwar bedingungslos. Ohne Gegenleistung. Wobei, in diesem Sinne tätig zu werden, das löst in einem selber ja auch ein gutes Gefühl aus, insofern bekommt man schon etwas zurück. 
Als ich erfahren hab, dass der Krieg in der Ukraine ausgebrochen ist ...
Ich war erst ungläubig, obwohl es sich latent ja schon lange abzeichnete … und dann hatte ich Angst, ja große Angst. Die Situation hat in mir tatsächlich Kindheitserinnerungen hochgebracht. In meinem Kopf spielten lauter Songs, die in den 1980er Jahren in waren, wie von Sting „Russians“. Ich war wirklich ein bisschen getriggert. Dann stelle ich mir die Frage: „Was kann ich tun? Wo habe ich Handlungsspielräume?“ Angesichts dieser Gewalt, dieses Leids, war es für mich unerträglich, untätig zu bleiben.
Der Krieg in der Ukraine bedeutet für mich ...
Der Krieg ist in Europa, das fühlt sich anders an, als weiter entfernte Kriege (so ungerecht das auch ist, global betrachtet). Die Wiederholung ist erschütternd und auch die Blindheit, die wir uns in Deutschland geleistet haben. Wir wollten es wirklich nicht kommen sehen. Wollten an den zivilisatorischen Fortschritt glauben. Dieser Krieg ist eigentlich wie aus der Zeit gefallen, weil er so antizivilisatorisch, so barbarisch ist, aus unserer Perspektive hier.
Dieser Krieg hat meine Wahrnehmung/ mein Bewusstsein verändert ...
Am Anfang war diese große Ängstlichkeit, ich war auch körperlich alarmiert. Dann habe ich angefangen mehr auf die Hilfsbereitschaft zu gucken, die Solidarität mehr zu schätzen und den Blick mehr darauf zu lenken. Das hat schon was mit meiner Wahrnehmung gemacht. Verändert hat sich auch meine mentale Landkarte. Ich hatte nie einen großen Bezug zu Osteuropa. Meine östlichste Freundin ist aus Tschechien. Danach hörte für mich die Welt zwar nicht auf, aber die differenziertere Landkarte, die war eben östlich von Tschechien etwas wischi-waschi. Durch die Ereignisse ist sie viel differenzierter geworden, auch dass die Distanzen sich für mich innerlich verändert haben. Alles ist näher herangerückt. Eine weitere Beobachtung an mir selbst: Ich muss aufpassen, nicht alles Russische abzulehnen. Das ist gerade ein Reflex. Ich versuche, mich gezielt offen zu halten, nicht alles zu verwerfen. Zum Beispiel habe ich ein Seminar zu Bulgakovs „Das hündische Herz“ besucht. Ich möchte nicht alles verteufeln, möchte irgendwie eine Brücke über Literatur, Kunst offen halten, daran glauben, dass Menschlichkeit möglich ist. Wir müssen ja irgendwann wieder friedlich leben können.
Tja, und dann bin ich wieder politischer geworden. Sehe wieder mehr die Notwendigkeit, mich zu positionieren, darüber zu reden, was unsere Werte in Europa sein sollen. Wie wir als World Community zusammenleben, miteinander sein können. Wie können wir gut streiten, ohne einen Krieg loszubrechen, denn Konflikte gibt es immer wieder und es wird sie immer wieder geben. Darum ist es wichtig, zu wissen, wie wir diese Konflikte lösen können.
Ich möchte den Menschen zum Weihnachten wünschen ...
Ich wünsche allen Menschen, sowohl jedem Einzelnen als auch der Menschheit als Ganzes, Frieden. Inneren Frieden für jedes Individuum. Wir sollten alle den Raum, die Möglichkeit bekommen, einen Schritt zurückzugehen, um das ganze Bild sehen zu können, den Kontext, um weise zu handeln und nicht aus einem Impuls heraus, nicht aus Reaktivität. Ein Frieden, der dann nach außen gekehrt und verbreitet wird in vielen, vielen Wellen. Ich wünsche uns eine Pandemic of Peace and Love!