Alina über Adilia:
Adilia war eine der ersten Personen, die meine kreative Idee eines sozialen Fotoprojekts über Flüchtlingsfrauen aus der Ukraine unterstützt hat. Das hielt mein inneres Feuer am Laufen. Während der ganzen Vorbereitungszeit dieser Ausstellung hat Adilia mich mental unterstützt und meine Ausstellung “Chervona Kalina” hat dann im Juli stattgefunden. 
Adilia und Eva Barnevitz organisierten im März auf freiwilliger Basis eine psychologische Selbsthilfegruppe für ukrainische Flüchtlingsfrauen in Konstanz. Die Gruppentreffen fanden einmal wöchentlich statt. Eva und Adilia halfen den Frauen die schwierigen Erfahrungen des Krieges, der Evakuierung und der Immigrierung mental zu verarbeiten. Die Frauen in dieser Gruppe erinnern sich heute noch mit großer Dankbarkeit an diese Treffen. Wie sich herausstellte, sind solche Begegnungen eine psychologische und mentale Unterstützung - eines der wichtigsten Dinge, das Kriegsflüchtlinge brauchen. Viele haben es geschafft und können weiter aufleben und zu sich kommen.
Adilia erzählt ihre Geschichte über Nächstenliebe:
Die meisten negativen Emotionen und die damit verbundene Schockstarre sind bei mir durch das kreative Arbeiten verschwunden. Anfang März hatte ich bereits die erste Klientin aus der Ukraine, dadurch, dass ich bei der Caritas arbeite. Gemeinsam mit einer meiner Freundinnen, Eva Barnewitz, saßen wir zusammen und haben uns überlegt, wie wir konkret den geflüchteten Menschen helfen können. Uns wurde klar, dass es Zeit braucht, bis das staatliche Hilfesystem sich bewegt. Wir dachten, dass womöglich viel Zeit vergehen wird. Dann sah ich diese Frauen, die bei uns ankamen. Sie waren entweder ganz fest in ihrem emotionalen Panzer geschützt oder sie brachen unter dem psychischen Druck, den sie im Krieg und auf der Flucht erlebt hatten, zusammen. Deshalb hatten wir die Idee, als Volontärinnen eine Gruppe zu organisieren  und für alle Frauen, die in Konstanz ankommen, einen Raum zu kreieren, in dem sie mit jemandem über ihre Sorgen und Gefühle reden können und sie selbst sein können. Wir bekamen sehr schnell einen Raum im Café Heimathafen zur Verfügung gestellt und konnten innerhalb von ein paar Wochen anfangen, den Menschen zu helfen, ihren emotionalen Panzer abzulegen.
Wer bin ich ...
Ich bin Adilia Hornek, ich bin in Usbekistan geboren und aufgewachsen. Aufgrund der Arbeit und meines Studiums lebte ich eine Zeit in den USA, Österreich und anderen Ländern. Seit vier Jahren bin ich nun mit meiner Familie in Konstanz. Zurzeit arbeite ich als Sozialarbeiterin, was ich eigentlich studiert habe, für mich aber dennoch ein neuer Beruf ist. Vorher war ich nämlich im Bereich der internationalen Entwicklungszusammenarbeit tätig. Ich bin ein Mensch, der dem Gegenüber die Möglichkeit gibt, seinen emotionalen Panzer abzulegen. Ich habe das Gefühl, dass mir das durch Gespräche und das Zuhören gut gelingt.
Was ist für mich Nächstenliebe/ Kindness …
Nächstenliebe ist für mich, Menschen so wahrzunehmen, wie sie sind. Es bedeutet auch dem Hass, den dieser Krieg mitbringt, reflektierend und resilient entgegenzutreten und Menschen nicht zu verurteilen. Nächstenliebe bedeutet für mich, den Menschen zu verstehen und den Schmerz zu sehen, der diesen Menschen vielleicht zu grausamen Taten bewegt hat. Man sollte Menschen nicht verurteilen und nicht hassen, sondern Mitgefühl und Empathie entwickeln. Bei der Nächstenliebe geht es aus meiner Sicht darum, sich nicht in den Gottes Sessel zu setzen und nicht zu urteilen: „Du bist gut und du bist schlecht!“, sondern zu sagen, dass alles seinen Platz und seine Zeit hat.
Als ich erfahren hab, dass der Krieg in der Ukraine ausgebrochen ist ...
In der ersten Woche des Krieges hatte ich mich in einer Art Schockstarre gefühlt. Ich ging zur Arbeit und es gab, wie gewöhnlich, eine Mittagspause. Alle um mich herum haben normale Gespräche miteinander geführt. Mein Gefühl und mein persönlicher Bezug zum Krieg in der Ukraine haben sich sehr stark vom Bezug eines durchschnittlichen Westeuropäers unterschieden, denn meine Verwandten leben in Russland und Belarus. Während das normale Leben bei meinen Kollegen und Kolleginnen ohne großen Veränderungen fröhlich weiter ging, war ich innerlich im Krieg, denn mein Neffe war im Mobilisierungsalter, meine Familie hat sich aufgrund politischer Ansichten gespalten und ich saß die ganze Zeit vor den Sozialen Medien.
Der Krieg in der Ukraine bedeutet für mich ...

Den Krieg kannte ich nur aus den Gesprächen mit meinen Omas und Opas. Sie sagten, dass man alles überleben kann, außer Krieg. Für mich gibt es nichts Schlimmeres als den Krieg, weil Menschen ihr Leben verlieren und nichts wertvoller ist als das Leben. Krieg gibt es jeden Tag, er gehört zur Menschheit. Andere Kriege sind weit weg, auch der Zweite Weltkrieg, weil er lange her ist. Der Krieg in der Ukraine aber steht vor unserer eigenen Tür.
Dieser Krieg hat meine Wahrnehmung/ mein Bewusstsein verändert ...
Meine Familie hat sich gespalten und das ist das Traumatischste für mich, weil es Menschen sind, die mit mir verwandt sind. Doch ich kann jetzt sagen: „Wenn du nicht klar äußern kannst, dass du gegen diesen sinnlosen Krieg bist, hat für mich die Kommunikation mit dir keinen Wert, weil ich enttäuscht bin. Nichts desto trotz bleiben wir nach wie vor Verwandte. Ich habe Mitgefühl mit dir.“ Es geht mir darum, solch einem Menschen zu zeigen, dass ich ihn verstehen und die Ursache seines Verhaltens kennenlernen möchte. Wenn mein Gegenüber sich nicht öffnet, wäre das für mich der Verlust der Beziehung. Das ist schwer zu ertragen.
Ich möchte den Menschen zum Weihnachten wünschen ...
Ich wünsche, dass die Menschen die Weihnachtszeit für sich nutzen und ihren Gefühlen Raum und Worte geben. Und dass sie einen besonderen Moment finden, in dem alle Menschen eine kleine Verbindung zueinander fühlen. Eine innige Umarmung für jeden! Und ich wünsche natürlich allen viele Geschenke!​​​​​​​