Alina über Roy:
Roy ist einer der ersten Menschen in Konstanz, der mich und meinen sieben Monate alten Baby-Sohn freundlich und lächelnd begrüßt und sein Mitgefühl gezeigt hat. Als Zeichen seiner Solidarität hat Roy für mich eine Blume aus Glas in den Farben der ukrainischen Flagge gestaltet. Es macht mir jedesmal Freude, Roys aufrichtiges Lächeln auf der Straße vor seinem Geschäft zu sehen. Es war eine herzliche Ermutigung. Und es ist sehr gütig.
Roy erzählt seine Geschichte von Nächstenliebe:
Ich habe mir gedacht, dass Alina eine geflüchtete Frau ist, mit ihrem kleinen Kind. Es war einfach ein Gefühl. Ich wollte ihr einfach eine Freude machen. Ich habe das Gefühl, dass ich nicht genug tue, um zu helfen. Wir, als Land, können den Geflüchteten zwar Refugium geben, aber wir können diesen Krieg nicht stoppen. Leider! Das ärgert mich. Als ich Alina mit dem Kind sah, hatte ich den Input etwas Gutes zu tun.
Wer bin ich ...
Wer der Roy eigentlich ist, ist meine Lebensaufgabe. Ich bin ich. Ich heiße Roy Braunwarth und bin 1962 in Konstanz geboren. Ich bin genau 60 Jahre alt. Seit 35 Jahren bin ich selbstständiger Kunsthandwerker und Glaser in Konstanz. Ich habe immer hier gelebt, in meiner Heimatstadt, und würde sie ungern verlassen wollen. Ich bin ein echter Konstanzer und kann sogar Dialekt reden. Das ist sehr selten, weil die meisten Menschen lieber Hochdeutsch sprechen. Ich habe drei erwachsene Kinder und ein Enkelkind. Ich bin Restaurator und beschäftige mich mit Kunstgeschichte und Glas, im Speziellen der Jugendstilzeit, Anfang des 20. Jahrhunderts. Aus meiner Sicht war das eine großartige Zeit für Kunst und Design - ein Aufbruch in die Moderne. Das beschäftigt mich sehr. Ich lese auch gerne Künstlerbiografien, bin sehr involviert in Ausstellungen und schaue mir gerne Bilder aus dieser Zeit an. Im Moment bin ich sehr beschäftigt mit Wassily Kandinsky. Ich lebe mein Leben für das Kunstgewerbe!
Was ist für mich Nächstenliebe/ Kindness …
Nächstenliebe bedeutet für mich Freundlichkeit, Zuvorkommenheit und Empathie. Dass man jemanden ohne Vorurteile ansieht, begegnet, zuhört. Nächstenliebe ist für mich auch Mitgefühl, Höflichkeit, Achtung, diese menschlichen Werte. Wenn man etwas geben möchte, ohne etwas zu erwarten. Nächstenliebe hat immer etwas mit Glaube zu tun, zumindest für mich. Ich finde, Nächstenliebe ist Demut, Weisheit und Reife und nur reife Menschen sind fähig, Nächstenliebe zu zeigen und zu leben. Nächstenliebe ist gelöst vom Materialismus. Sie ist für mich das Gegenteil von Egoismus.
Als ich erfahren hab, dass der Krieg in der Ukraine ausgebrochen ist ...
Das war genau zwei Tage vor meinem Geburtstag und ich habe keine Lust gehabt zu feiern. Es war unvorstellbar. Ein Schlag ins Gesicht. Wie kann man die Welt so anlügen? Unsere Außenministerin war ja noch einen Tag zuvor in Moskau und Putin sagte, er werde die Ukraine nicht angreifen. Und dann, zack, geht er einfach über die Grenzen. Brutal, so ein Angriffskrieg. Wie mit Hitler. Ich war wütend, als ich mitgekriegt habe, dass Putin ein souveränes Land wie die Ukraine einfach angreift. Ich war entsetzt, was passiert ist. Menschen sterben, die zivile Bevölkerung und deren Häuser werden bombardiert, nicht Militäreinrichtungen, nicht das Militär selbst. Bevölkerung! Wie kann man einfach friedliche Zivilisten töten?
Der Krieg in der Ukraine bedeutet für mich ...
Das ist eine unerträgliche Verletzung der Menschenrechte, der völkerrechtswidriger Überfall eines souveränen Staats. Eigentlich ein „No go“ im 21. Jahrhundert.
Dieser Krieg hat meine Wahrnehmung/ mein Bewusstsein verändert ...
Es hat mich verändert zu sehen, wozu Menschen fähig sind. Der Krieg in der Ukraine ist nah, aber die Brutalität und Unmenschlichkeit, die Kriege in jedem Land mitbringen, ist überall gleich. Nichts ist sicher, der Frieden ist fragil. Wie dünn sind die Grenzen zwischen Krieg und Frieden ... Sogar in Deutschland könnten wir innerhalb von zwei Monaten einen Krieg mit Russland haben.
Ich bin dankbar, dass ich in Frieden lebe, hier in Deutschland. Ich habe alles, was ich will in meinem Leben. Ich sehe, dass das, was ich habe, nicht selbstverständlich ist. Es ist sehr fragil, in Frieden zu leben. Das ist, was ich von diesem Krieg gelernt habe.
Der Krieg beschäftigt mich schon in meinen Gedanken. Ich sah Bilder des Krieges und ich konnte nicht aufhören zu weinen. Deshalb bin ich sogar noch dankbarer. Mir ist es noch mehr bewusst geworden, dass ich in Frieden lebe und was das für ein Privileg, ein Reichtum hier ist. Der Krieg kann jeden treffen.
Ich möchte den Menschen zum Weihnachten wünschen ...
Ich wünsche uns Zusammenhalt. Das ist die einzige Welt, die wir haben, für mehrere Generationen. Zum Weihnachten wünsche ich jedem, dass der Krieg beendet wird. Dieser sinnlose Krieg soll ein Ende nehmen. Ich wünsche mir mehr Ruhe in meinen Gedanken, denn manchmal ist es wie in einem Karussell und ich will dieses stoppen. Ruhe und Gelassenheit.